Werden wir zu Engeln

Die evangelische Stadtpfarrkirche St. Matthäus war bei der Christvesper an Heilig Abend bis auf den letzten Platz besetzt.
Bildrechte Dekanat/Mauch

Mit einer Christvesper feierten an Heilig Abend die evangelischen Christen mit Dekan Jochen Wilde in der Passauer Stadtpfarrkirche Weihnachten. Musikalisch stand die Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ von Johann Philipp Krieger im Mittelpunkt des festlichen Gottesdienstes. Die Besetzung mit drei Gesangssolisten, zwei Violinen und basso continuo mit Claudia Bauer (Sopran), Fritz Theodor Spengler (Altus), Bernhard Forster (Bassbariton) und dem Kammermusikensemble St. Matthäus unter der Leitung von Ralf Albert Franz an der Orgel machte den Gottesdienst zu einem außergewöhnlichen musikalischen Ereignis. Die schreckliche Tat von Magdeburg war das zentrale Thema der Predigt von Dekan Wilde.
„Unsere Hilflosigkeit hat einen Platz in dieser Stunde, wir halten inne, hören Musik und singen vertraute Lieder.“ Mit diesen Worten begrüßte Dekan Jochen Wilde die Menschen, die an Heilig Abend in die Stadtpfarrkirche St. Matthäus gekommen waren um zusammen die Christvesper zu feiern. Stühle und Hocker mussten noch zusätzlich organisiert werden, trotzdem konnten nicht alle den Gottesdienst im Sitzen begehen.
Zu Beginn seiner Predigt mit der Überschrift „Wir sind, was uns noch bevorsteht“ sagte Dekan Wilde: "Wir feiern heuer ein ernstes Weihnachten", denn „wir spüren, wie nahe uns dieses schreckliche Geschehen geht“. Die Todesfahrt in Magdeburg treffe uns nicht nur als Einzelne, sondern als ganze Gesellschaft. Sie zeige, was für eine gefährliche Macht Zorn und Hass sein können, mache aber auch deutlich, für welche Werte wir einstehen und eintreten müssen: „Mitgefühl, Zusammenhalt und Solidarität, Toleranz und Weltoffenheit, und eine klare Absage an jede Form von Hass und Gewalt! Das sind genau jene Werte, die in diesem Kind in der Krippe verkörpert sind!“
Dieses Weihnachtsfest zu feiern sei ein Bekenntnis zu Mitmenschlichkeit und zu den Grundwerten der Humanität.  „Wir lassen uns als Gesellschaft nicht auseinanderdividieren, wir geben dem reflexartigen Verlangen nach Vergeltung, nach einfachen und schnellen Antworten nicht nach… Und wir treten denen entgegen, die Angst, Misstrauen und Zorn noch schüren und instrumentalisieren“. Die wahren Engel seien Leute, die fest an Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit glaubten und danach handelten.
Die wahre Kraft, dem Albtraum von Magdeburg standzuhalten, bestehe nicht in Kraftmeierei, betonte Dekan Wilde, sondern im „Zusammenkommen, Schweigen, Klagen und Trösten. Mehr braucht man manchmal nicht, um selbst Engel zu sein“.
Im Mittelpunkt des Festgottesdienstes stand neben der Predigt die Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ von Johann Philipp Krieger. Bei dieser Kantate handelte es sich eigentlich um ein „Geistliches Konzert“, dessen Textgrundlage auf den Lesungen für Heilig Abend basierte. Die Besetzung war außergewöhnlich. Die Solisten Claudia Bauer, Fritz Theodor Spengler und Bernhard Forster glänzten ebenso mit ihrem musikalischen Können wie das Kammermusikensemble St. Matthäus unter der Leitung von Ralf Albert Franz. Die Gottesdienstbesucher dankten Musik und Wort mit langanhaltendem Applaus und Bravo-Rufen.
Text und Foto: Hubert Mauch