Danke für die Demokratie

Politisches Nachtgebet
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Dekan Jochen Wilde, Bundestagskandidatin Johanna Seitz und Stadträtin Diana Niebrügge gestalteten das Politische Nachtgebet in der Langen Nacht der Demokratie in der Stadtpfarrkirche. Es war eine Premiere.
Christlicher Glaube stehe für Offenheit, Vielfalt und Meinungsaustausch, sagte Dekan Jochen Wilde bei der Begrüßung zum Politischen Nachtgebet in der Langen Nacht der Demokratie am Mittwoch, 2. Oktober. Rund 40 Personen waren der Einladung der Evangelischen Gemeinde St. Matthäus und der Wochen zur Demokratie in die Passauer Stadtpfarrkirche gefolgt.
„Gott ist demokratisch“ war deutlich auf seinem T-Shirt zu lesen. Gleich zu Beginn räumte Dekan Wilde ein, dass die Haltung der evangelischen Kirche gegenüber der Demokratie in der Geschichte durchaus ambivalent gewesen sei. Dabei verwies er auf das Scheitern der Demokratie der Weimarer Republik und besonders die Schuld der Kirchen während der Diktatur des Nationalsozialismus. Umso wichtiger sei es daher, dass sich Kirche heute klar zu den Werten unserer Demokratie bekenne und gegen Demokratiefeinde und extremistische Parteien wie die AfD positioniere. „Wir wollen mit dem Politischen Nachtgebet deutlich machen, wofür wir stehen und warum es sich lohnt, unsere Demokratie zu verteidigen,“ so Wilde.

Gitarrist Wolfgang Jungwirth
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Für einfühlsame Gitarrenklänge sorgte der Gitarrist Wolfgang Jungwirth.

Erschreckend aktuell ist Psalm 59, den der Theologe vorträgt. Dieser beschreibt, was viele Politiker*innen, aber auch fremd aussehende Menschen schon seit Jahren an Beleidigungen, Hass, Lügen und Hetze bis hin zur Gewalt erleben müssen. Gott dagegen sei menschenfreundlich.
Ein Politische Nachtgebet besteht aus Gebet/Meditation, Information und Aktion und wurde in den 60er Jahren von der Theologin Dorothee Sölle und dem Schriftsteller Heinrich Böll in Köln ins Leben gerufen. In der Stadtpfarrkirche übernahmen Stadträtin Diana Niebrügge von den Grünen und Bundestagskandidatin Johanna Seitz von der ödp den „informellen“ Teil.  
So erzählte Diana Niebrügge von ihrer starken Zuversicht und ihrem Vertrauen in unser Land und unsere Demokratie während ihrer Schulzeit in den 80er Jahren. Die rechte Gewalt, Ungerechtigkeit und Willkür der Nazizeit schien Geschichte zu sein. Das Reisen durch die Länder Europas quasi ohne Grenzen sei ein Geschenk. „Dass rechtsextreme Parteien, die unsere Demokratie verächtlich machen, einmal wieder so großen Zuspruch erfahren würden wie heute, hätte ich mir als Schülerin nicht träumen lassen.“ Dennoch sei sie zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit demokratischen Mitteln die Zerstörung des Rechtsstaats durch rechtsextreme Parteien verhindern können.

 

Diana Niebrügge (li) und Johanna Seitz (re) erzählten von ihren Wegen in die Politik und dem Umgang mit Demokratiefeindlichkeit.

Diana Niebrügge und Johanna Seitz
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Für Johanna Seitz ist Demokratie, geprägt durch ihr Elternhaus, eine Herzensangelegenheit. Gründe für die Demokratiefeindlichkeit sieht sie im rechtspopulistischen Narrativ, dass alles schlecht wäre und alles den Bach runter ginge. Hellhörig sollte man werden bei Behauptungen, dass das ganze System schlecht wäre und verächtlich von „Denen da oben“ gesprochen werde. Rechtsextreme versprechen einfache Lösungen, die es aber nicht gibt. Solche falschen Versprechen könnten sie gar nicht einlösen. Vielmehr müsse gerade für Heranwachsende schon in der Schule durch Mitentscheidungsmöglichkeiten Demokratie im Alltag spürbar gemacht werden. Die wichtigen direktdemokratischen Beteiligungsinstrumente wie Bürgerbegehren und Petitionen dürften deshalb nicht eingeschränkt werden.

 

 
Kerzen und Wünsche
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Gegen Ende des Politischen Nachtgebets konnten die Besucher*innen eine Kerze anzünden und Wünsche aussprechen oder Impulse zum Thema Demokratie geben.

 
Wünsche und Impulse zur Demokratie
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Am Ende des Politischen Nachtgebets konnten die Teilnehmer*innen eine Kerze anzünden, Wünsche aussprechen oder Impulse geben. So wurde die dringende Bitte ausgesprochen, dass Andersdenkende „nicht niedergeschrien“ werden. Auch „Herzensbildung und Zuversicht, Empathie und Wertschätzung“ wurden genannt. Und ein Teilnehmer wünschte sich, dass „die Kirchen sich weiterhin so für die Demokratie“ einsetzen.
Im Anschluss an das Politische Abendgebet, das von Wolfgang Jungwirth mit der Gitarre einfühlsam begleitet wurde, konnte im Evangelischen Zentrum bei einem Glas Wein das Gehörte und Erlebte weiter diskutiert und vertieft werden. Dekan Jochen Wilde freute sich über die gute Resonanz und fände es schön, wenn sich das Format etablieren könnte. „Wir leben nicht von Hass, von Diffamierungen und Lügen“. Es sei daher wichtig, den Dialog in unserer demokratischen Gesellschaft zu fördern, um Hass und Hetze etwas Positives entgegenzusetzen.
Text und Fotos: Hubert Mauch